„Winterkinder“ in Pasternaks Gewändern – ein russisches Familiendrama

Winterkinder von Owen Matthews

In den unendlichen Weiten Russlands mag sich der eine oder andere Romantiker in die Zeiten Puschkins, Pasternaks oder Tolstoi zurückversetzt sehen. Herzzerreißende Szenen von Liebe und Verrat wie in „Dr. Schiwago“ (Pasternaks wichtigstes Werk und zur damaligen Zeit ein Dorn im Auge des Sowjet-Regimes)…

Owen Matthews, Autor des Romans „Winterkinder“, erzählt eine etwas andere Geschichte!

Matthews erzählt nicht eine frei erfundene Geschichte – es ist seine ganz persönliche Lebenserfahrung; vor allem die seiner Eltern und Großeltern, welche in der noch jungen Sowjetunion aufwuchsen. Drei Generationen zwischen Liebe, Verrat und Krieg! Es ist ein Zeitdokument und ein faszinierender, wie auch erschütternder Rückblick auf Freud´ und Leid einer russischen Familie in unruhigen Zeiten. Eine Liebesgeschichte, welche sich nicht von scheinbar unüberwindbaren Hürden einschüchtern lässt.

Internationale Pressestimmen sind sich darüber einig, dass diese Familiengeschichte ein „tief berührendes und mitreißendes Stück Zeitgeschichte“ darstellt (Simon Sebag Montefiore).

Die Originalausgabe erschien bereits 2008 unter dem Titel „Stalin´s Children. Three Generations of Love and War“ bei Bloomsbury in London; nun ist es endlich auch auf Deutsch im Graf Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH erschienen. Ein großes Lob geht hier an den Graf Verlag – „Winterkinder“ trifft nicht nur den Kern dieser Familientragödie – er ist einfach wunderschön.

„An einem Mittsommertag im Jahr 1937 küsste Boris Bibikow seine beiden Töchter zum Abschied und verschwand für immer. Eine der beiden, Mila, verliebte sich viele Jahre später, mitten im Moskau des Kalten Krieges, in einen jungen Engländer und beginnt mit ihm eine gefährliche, leidenschaftliche Affäre.“

Zu Beginn seiner Ausführungen steht ein kurzes Statement des Autors für den, meiner Meinung nach, wichtigsten Grund seines literarischen Vorhabens – es ist die Widmung…

„Für meine Eltern“

Die Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte stelle ich mir laienhaft als Mammutprojekt vor. Wie oft muss sich Owen Matthews die Frage gestellt haben, ob er dieses Werk wirklich zu Ende bringen kann.

Tiefbewegt glitten meine Augen über die Seiten. Ich spürte den eisigen Hauch von Kälte, welche nicht dem harten Winter Russlands entsprang. Es war die Anspannung und die Angst, dass etwas Böses Einzug in die eigene Familie halten würde. Boris Bibikow war ein linientreuer Marxist-Leninist. Er war ein glühender Verfechter der „Oktober-Revolution“ und stieg in der noch jungen Sowjetunion schnell zu einem regional einflussreichen Mann auf. Doch Stalin, welcher die Last der Verantwortung nach dem Tod des erfolgreichen Revolutionärs Lenin trug, sollte durch seine Politik das Leben einer unbescholtenen russischen Familie in ihren Grundfesten erschüttern.

Matthews Ausführungen sind detailliert und wirken so „hautnah“. Seine kurzen „Zeitsprünge“ durch die drei Generationen seiner Familie stören in keinster Weise. Sie verdeutlichen vielmehr, dass der Autor versucht Parallelen zu seinem eigenen Leben zu ziehen. Er ist der „Geschichtenerzähler“ – er begleitet den Leser durch die Wirren der stalinistischen Säuberungsaktionen der 30er Jahre, dem „großen vaterländischen Krieg“ gegen Nazi-Deutschland, dem „Kalten Krieg“ und letztlich auch dem Zerfall des Sowjetreichs – stets aus der Sicht einer Familie, welche sich in diesen Zeiten einigen harten Prüfungen unterziehen muss.

Während der ersten 200 Seiten konnte ich mir nicht vorstellen, dass so ein Drama glücklich enden würde. Zu viele Opfer wurden erbracht, zu viele Familienmitglieder zahlten einen hohen Preis. Doch letztlich setzte das erlösende Tauwetter ein. Die Mauern der alten Ordnung zerbrachen und ließen den Blick zum Horizont gleiten – einer Glück versprechenden Zukunft entgegen.

Die Geschichte seiner Eltern ist beispielhaft für das gesamte Werk. Leidenschaft, Hoffnung und Liebe gehen Hand in Hand mit Ängsten, Sorgen und tiefer Hoffnungslosigkeit. Was Pasternak mit „Dr. Schiwago“ gelang, durchleben hier in ihrer ganz eigenen Version Mila und Matthews Vater Mervyn.

Diese Familiengeschichte ist so unglaublich, so erschütternd und doch auch so anrührend, dass ich sie nur wärmstens all jenen Leserinnen und Lesern empfehlen kann. Man möchte fast traurig darüber sein, dass der diesjährige Winter in unseren Breitengraden ausgeblieben ist – bei heißem Tee, einer wärmenden Decke und dem Blick auf eine vereiste Winterlandschaft würde dieser Roman sicherlich noch wirkungsvoller und anrührender erscheinen. Nun – ein geduldiger Leser kann auch warten!

x Autor/in: Owen Matthews
x Titel: Winterkinder
x Genre: Roman
x 400 Seiten
x Graf
x ISBN: 978-3862200450

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