Am 22. November 1963 hielt die Welt den Atem an, als Walter Cronkite die Öffentlichkeit über den Tod des Präsidenten der Vereinigten Staaten, John Fitzgerald Kennedy, unterrichtete.
Auch wenn diese Aufnahmen (und der später veröffentlichte “Zapruder-Film”) noch immer schockierende Gesichter hinterlassen, wissen die Beobachter leider eine Tatsache mit Sicherheit: diese Geschehnisse können nicht mehr getilgt oder verhindert werden – – – oder etwa doch?
Stephen King hat sich bereits in den späten 70er Jahren mit einer Idee beschäftigt, die das Attentat auf JFK beinhaltete. In einem späteren Interview im Rahmen der Veröffentlichung von “11/22/63″ (Originaltitel) berichtete der Erfolgsschriftsteller, dass zum damaligen Zeitpunkt “die Wunden noch nicht gänzlich verheilt waren”. Er war sich jedoch sicher: Irgendwann werde ich diesen “Stoff” verarbeiten können.
Zum Inhalt des Buches:
Jake Epping lebt im Jahr 2011 ein normales Leben in den USA. Er ist Englischlehrer und bereits einmal geschieden worden. Trotz dieser negativen persönlichen Erfahrung kommt er in seinem Leben ausgezeichnet zurecht. Sein Freundeskreis mag vielleicht überschaubar sein (auch wenn er äußerst beliebt zu sein scheint!), doch die geknüpften Freundschaften werden gepflegt. Der wichtigste Ansprechpartner und Freund für Jake ist in den letzten Jahren ein Mann namens Al. Er ist Chef eines kleinen Imbiss-Restaurants, welches Burger und weitere Speisen zu echten “Dumping-Preisen” anbietet. Jake findet den Laden genial – und auch Al ist ein echter Freund für ihn. Diese Freundschaft wird eines Tages einer Prüfung unterzogen, die Jake in seinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten hätte.
In einem kleinen Hinterzimmer seines Restaurants versteckt sich Al´s Geheimnis, mit welchem er diese unglaublich günstigen Preise seiner Ware erklären kann. Jake ist wie vom Donner gerührt als Al ihm offenbart, er verfüge über die Möglichkeit in die Zeit zurück zu reisen. Genauer gesagt in das Jahr 1958 – für viele Amerikaner die “gute alte Zeit”. Nach einer kleinen “Erkundungstour” hat Jake keinen Zweifel mehr, das Al ihm keine Märchen erzählt hat. Doch warum und wie dieses “Zeitportal” entstanden ist, kann auch Al nicht erklären. Er will es jedoch nutzbar machen, um den Verlauf der Geschichte verändern zu können. Gewalttaten, Ungerechtigkeiten und Mordanschläge könnte man – bei guter Vorbereitung und Recherche – womöglich verhindern.
Al hat hier ein ganz besonderes Ereignis in Betracht gezogen. Das Attentat in Dallas auf JFK muss verhindert werden! Der Grund liegt nach Al´s Ansicht klar auf der Hand. Würde man JFK retten, gäbe es keine Eskalation in Vietnam. Es würde keinen Krieg bis in die späten 70er geben und keine toten Amerikaner. Auch der Anschlag auf Robert Kennedy würde nicht stattfinden und womöglich könnte John F. Kennedy seine Politik der Veränderung durchsetzen. Viele Amerikaner sahen in JFK den Präsidenten, der das Land vereinen und verändern konnte. Er bewies Durchhaltevermögen während der Kuba-Krise und zeigte sich entschlossen in Prestigefragen, wie z. B. der bemannten Reise zum Mond. Würde man den mutmaßlichen Attentäter in Dallas außer Gefecht setzen, hätte diese “gute” Politik eine echte Chance und womöglich könnte Amerika zu dem werden, was sich seine Bürger so sehr wünschten – das Land der Hoffnung und die Heimat der Mutigen.
Al hat schon über einen längeren Zeitraum recherchiert und viele Vorbereitungen getroffen, um den Anschlag auf den Präsidenten zu vereiteln. Durch eine schwere Erkrankung ist Al selbst nicht mehr in der Lage, Lee Harvey Oswald (in den Augen der beiden Freunde der einzige Täter) außer Gefecht zu setzen. Daher bittet er seinen Freund Jake – nimmt er diese Herausforderung an? Was erwartet ihn im Amerika der späten 50er und frühen 60er Jahre? Wie funktioniert dieses “Portal” und was muss er beachten im Umgang mit den Menschen, die er zweifelsohne auf seinem Weg treffen wird?
Al unterweist Jake in Sachen “Zeitreisen” und erklärt ihm, was er zu tun und zu lassen hat, wenn er diesen Eingang benutzt. Nach diesem “Unterricht” und einigen schlaflosen Nächten willigt Jake ein. Er tritt eine Reise mit dem Ziel an, den 22. November 1963 zu dem Tag zu machen, der ursprünglich vorgesehen war: ein normaler Herbsttag im sonnigen Texas – gekrönt vom Besuch des Präsidenten der USA in Dallas – ohne Vorkommnisse!
Al warnt seinen Freund jedoch vor der Abreise: Die Vergangenheit lässt sich ungern verändern – sie kann bei dem Versuch einer Änderung des Handlungsverlaufs äußerst brutal und rücksichtslos reagieren. Jake nimmt diese Tipps dankbar an und versucht sich an ausgesuchten “Prüfungen”, um sich so auf das eigentliche “Event” optimal vorbereiten zu können. Hier entdeckt Jake schließlich am eigenen Leib, was Al mit seiner Warnung vor dieser wehrhaften Vergangenheit meint.
Fazit:
Stephen King hat es geschafft! Im Januar 2009 setzte er sich in seiner Heimat (Bangor, Maine) an den Schreibtisch und “opferte” dieser Geschichte fast zwei Jahre seines Lebens. Im Dezember 2010 war dieses Werk vollendet und ich darf ohne Übertreibung behaupten, dass dieser Roman zu den Besten seiner Werke zählen dürfte. King schildert in seiner detaillierten Arbeitsweise, wie sein Protagonist mit den Herausforderungen und den unterschiedlichen Lebens- und Sichtweisen der Generationen zurecht kommen muss. Ihm gelingt ein Spannungsbogen, der von Anfang bis Ende die Nerven der Leser auf Spannung hält. Ich bin ein großer Anhänger dieses Autors und habe einige seiner Werke im Regal stehen – doch dieser Roman erhält (neben “Carrie” und “ES”!) einen Ehrenplatz, da er nach langer Zeit etwas zu Papier gebracht hat, was einfach spannend und packend erzählt worden ist. Als Tipp meinerseits gebe ich den potentiellen Lesern den Rat, vielleicht “ES” noch einmal zu lesen. Es ist zweifellos kein Muss, um “Der Anschlag” lesen zu können – doch der eine oder andere “Querverweis” lässt den Leser sicherlich aufhorchen.
Was die mögliche Verschwörung im Mordfall Kennedy angeht, wird sicherlich der eine oder andere Leser die Nase rümpfen. Lee Oswald? Einzeltäter? Diese Frage wurde in so vielen Büchern, Filmen und Dokumentationen behandelt. Fakt ist jedoch, dass die wenigen Beweise und Hinweise immer wieder seinen Namen aufzeigen. Zweifel am Verlauf der Ereignisse von Dallas sind zweifelsohne berechtigt – was auch Stephen Kings Ehefrau vehement unterstreicht. Sie ist eine glühende Anhängerin der JFK-Verschwörung!
Auch ich sehe die Ereignisse des 22. November 1963 mit anderen Augen und kann einfach nicht glauben, dass Oswald der alleinige Täter sein soll. Doch in Bezug auf den nun vorliegenden Roman von Stephen King kann ich abschließend sagen:
Dieser Thriller verdient die Bestnote! Wer Spannung und Nervenkitzel – gepaart mit wundervollen “Anekdoten” der 50er und 60er Jahre – liebt, wird dieses Werk (mit über 1.000 Seiten) in kürzester Zeit “verschlungen” haben.
x Autor/in: Stephen King
x Titel: Der Anschlag
x Genre: Thriller
x 1056 Seiten
x Heyne Verlag
x ISBN: 3453267540
*aus dem Original-Beitrag vom 19. Juni 2012