Astrid Rosenfeld wurde 1977 in Köln geboren. Nach dem Abitur ging sie für zwei Jahre nach Kalifornien, wo sie erste Berufserfahrungen am Theater sammelte. Danach begann sie eine Schauspielausbildung in Berlin, die sie nach anderthalb Jahren abbrach. Eine Zeitlang hat sie in diversen Jobs in der Filmbranche gearbeitet, unter anderem als Casterin. Ihre Romane ›Adams Erbe‹ und ›Elsa ungeheuer‹ wurden in elf Sprachen übersetzt.
So absonderlich manch ein Charakter auch in „Adams Erbe“ gewesen sein mag, mit „Elsa ungeheuer“ hat Astrid Rosenfeld den Vogel entgültig abgeschossen, mich zum schmunzeln gebracht und manchmal auch zu Tränen gerührt. Sämtliche Charaktere habe ich ins Herz geschlossen. Mit ihrer direkten Art die Dinge beim Namen zu nennen, begibt sich die Schriftstellerin auf Pfade, die der Leser mag oder nicht mag. Elsa zum Beispiel spricht den Erzähler Karl immerzu mit „Fetti“ an, Schimpfwörter tanzen Capoeira, denn sie fliegen nur so umher. Das Murmeltier (Herr Murmelstein) erzählt den Kindern schlüpfrige „Gute Nacht Geschichten“ und immer wenn geflucht oder es zu intim wird fragt er: „Haltet ihr euch auch die Ohren zu?“. Worum es im Groben geht: Um die Erkenntnis und die Ewigkeit.
Cola für die armen Halbwaisen. Wermut für die Erwachsenen.
Zwischen den Namen von Weltmeeren und einer Yacht erklang immer wieder Mathildes mitreißendes Lachen. „Und nach Madagaskar segeln wir auch“, rief sie und leerte ihr Glas in einem Zug. „Wie heißen die Äffchen noch mal, Vicky?“ [..] „Genau. Lemuren. Sie können sich nur im Seitgallopp vorwärtsbewegen. Könnt ihr euch das vorstellen? Das ist doch verrückt.“ Mathilde stand auf, zog ihre Schuhe aus und stemmte ihre Arme in die Hüften. „Musik!“, verlangte sie. „Musik!“
Zurück auf Anfang. Da ist die Familie Brauer, Karl (8), Lorenz (10) und Vater Rudolph – Dauergast August Murmelstein und die Haushälterin Kratzler inbegriffen, eine verrückte Mutter die ihrem Leben ein jähes Ende setzte, und einfach so mir nichts dir nichts mit einem über den Kopf gestülpten rosa Schlüpfer kopfüber in den Tod sprang. Mit einem Esel im Hausflur ist bei den Brauers gewiss nichts normal, aber Hanna (die kürzlich verstorbene Mutter) wollte es so – zum Ärger der steinalten Kratzlerin und ihrem armen Herzjesulein. Und dann kommt Elsa ins Spiel – Ein ungestümer Wildfang, ein Naseweis und Sturkopf. Elsa wird von ihrer Mutter Mathilde, die mit ihrem neuen Lebensparter einen Segelturn um die Welt geplant hat, kurzerhand bei ihren Verwandten – den Gröhlers untergebracht. In der oberpfälzischen Dorfgemeinde spricht sich das schnell rum. Jeder redet über das ungewöhnliche Mädchen mit den Krawattengezuppel an den Beinen, das Barfuß läuft, weil sie auf der Hinfahrt aus lauter Wut ihre Schuhe aus dem Fenster geworfen hatte. Ja, und genau da nimmt die Geschichte Fahrt auf. Ab da ist es nicht möglich mittendrin auf das Bremspedal zu treten und mit dem Lesezeichen zwischen den Seiten das Buch zuzuklappen, nein man fährt weiter. Immer weiter.
Karl, Lorenz und Elsa teilen mit dem Verlust ihrer Mutter ein ähnliches Schicksal und freunden sich an. Aber da ist mehr als Freundschaft. Gemeinsam verbringen sie einen Sommer, der für alle Zeiten, zusammen mit Murmeltiers Gute-Nacht-Geschichten, unvergessen bleibt. Ebenso wie der Ausflug nach Den Haag. Ganz zufällig wird Karl Zeuge eines ungeheuerlichen Verbrechens. Mit einem Blutschwur jedoch, hat er sich verpflichtet, nichts und niemanden etwas zu verraten. Tragik und Komik liegen ganz nah beieinander und wechseln sich stetig ab, was passiert ist grausam, und ruft nach Gerechtigkeit, aber auch nach Rache. Karl ist untröstlich, als Elsa sich von ihm eines Tages aus unerfindlichen Gründen mit den ungefähren Worten „Tschüss Fetti. Ich werde jetzt gehen. [..] Für immer.“ verabschiedet. Der Gedanke „ETWAS“ nicht verhindert und Elsa für immer verloren zu haben, hängt ihm Jahre später noch nach.
Die Kindheit, das idyllische Landleben nimmt mit dem Weggang von Elsa ein abruptes Ende. Plötzlich befinden wir uns im Jahr 1999. Karl ist 20 Jahre jung, als er sein BWL Studium abbricht und dem Schatten seines Bruders folgt, der über Umwege von Irina Graham mit allem tam-tam in die Kunstszene eingeführt wird und jetzt über ein nie dagewesenes einzigartiges künstlerisches Projekt, die Ewigkeit auf Leinwand zu bannen, seinen ersten Erfolg feiert.
„Wer den Schatten eines Hundes nicht von dem eines Wolfes unterscheiden kann, ist für immer verloren.“
Während Karl an ihr zerbricht, sonnt sich sein Bruder Lorenz im Ruhm und wird zur Marionette eines bösen Spiels. Schon auf Sebastian Mirbergs Feier fällt der Schleier des Seins. Werden Lorenz oder Karl Elsa jemals wiedersehen? Und die Erkenntnis? Murmelstein hat´s gewusst. Wer ist der Hund und wer der Wolf? Da lässt sich nur sagen: Lest diesen Roman. Ich war wie Lorenz und Karl rast- und ruhelos, fast wie im Rausch.
Astrid Rosenfeld ist für mich ein Glücksfall. Zweifellos beherrscht sie die Kunst des Erzählens. Nach „Adams Erbe“ und „Elsa ungeheuer“ braucht es keinen weiteren Beweis dafür. Aber ich will mehr! Die Mischung aus Tragik und Komik, ihre schonungslose Herangehensweise, uns mit all den Charakteren und dem ganzen drumherum vertraut zu machen, ihre Affinität zum Skurrilem, aber vor allem ihre Beharrlichkeit sich treu zu bleiben und den Leser gelegentlich in eine Art Schockstarre zu versetzen, fasziniert. Ihr Erzähl- und Schreibstil ist unverkennbar. Ich kann nicht sagen, dass „Adams Erbe“ besser oder schlechter war als ihr Folgeroman. „Elsa ungeheuer“ ist einfach anders. Der Roman lag bei mir so lange unberührt, und ich habe jede Zeile genossen. Eine Geschichte über Freundschaft, Liebe, Intrige, Erfolg und Verlust. Eine Geschichte über die Ewigkeit und für die Ewigkeit. Ich liebe sie!