Adriana Altaras ist bekannt als Regisseurin, Autorin und Schauspielerin mit jüdischen Wurzeln aus Berlin. Bis zu einer ihrer Lesungen, zu ihrem schriftstellerischen Debüt „Titos Brille“, kannte ich sie nicht. Und in jenem Moment wusste ich: „Das Buch muss ich haben!“ Ich wollte ihre Geschichte unbedingt lesen. Allerdings hatte ich mit dem Kauf bis zur TB Veröffentlichung gewartet.
Dieser Krieg! Dieser Krieg! Der Titel des ersten Kapitels lautet: „Mein Vater, der Held“. Er gehörte einer kommunistischen Partisaneneinheit an, welche unter der Leitung von Josip Broz Tito bis zuletzt Widerstand gegen die deutsche Wehrmacht des Naziregimes leistete. Mit dem Einmarsch der Deutschen begann die Flucht von Adrianas Mutter Thea. Zu spät! Von der italienischen Besatzungszone des okkupierten Jugoslawiens aus, wurde sie ins Lager Rab interniert. Das zweite Lager! Diese Schnipsel der Vergangenheit gehen Adriana nicht aus den Kopf. Über Erzählungen, alte Dokumente und Fotos werden viele Begebenheiten in Erinnerung gerufen. Nach dem Tod ihrer Eltern, ändert sich das Leben der unorthodoxen Adriana und ihrem chaotischen Familienleben schlagartig. Aus dem Nachlass ihrer Eltern gelangt Adriana an weitere Dokumente. Begrabene Erinnerungen, die so manche Geheimnisse ans Licht bringen. Die so scheint es, eigens für sie aufbewahrt wurden.
Meinung:
Bei“Titos Brille“ handelt es sich um eine Art Familien Biographie, welche in Form eines Romans geschrieben ist. Es gibt also keine chronologische Abfolge. Diese Form hat die Autorin, meiner Meinung nach, ganz bewusst gewählt. Die Autorin selbst schlüpft in die Person des ICH Erzählers, was wie ich finde, den Inhalt sehr authentisch werden lässt. Kaum merkbar wechselt sie ungewohnt oft in ihrem Schreibstil die Zeitform. Die Schnipsel der Rückblenden ( erzählt von ihrem Vater Jacob, ihrer Mutter Thea , ihre Tante…. ) erkennt man jedoch an der dick gedruckten Kursivschrift. Adriana Altaras schreibt über das Vermächtnis der Vergangenheit, das Leben im Exil in der Nachkriegszeit – eine wahre Geschichte, über sich selbst und ihre ganze Familie. Ein paar wenige witzige Anekdoten aus ihrem Leben sorgen für kurze Erheiterung und gute Unterhaltung, weil man – wie sie sagt – die schreckliche Vergangenheit der Shoah nur mit Humor ertragen könne. Vergangenheit und Zukunft sind so miteinander verankert, dass man keine Chance hat ihr zu entkommen. Sehr temperamentvoll und vor allen Dingen sehr ehrlich spricht sie das aus, was sie bewegt. Und ganz zum Schluss bemerkt sie etwas ganz wichtiges – etwas, was von unschätzbarem Wert ist.
Ich war auf der Suche nach Worten, welche den Wert der Botschaft mehr Ausdruck verleihen würden und fand dieses Gedicht:
Wenn ich ich bin, weil ich ich bin,
und du du bist, weil du du bist,
dann bin ich ich und dann bist du du.Wenn aber ich ich bin, weil du du bist,
und du du bist, weil ich ich bin,
dann bin ich nicht ich und du nicht du.Rabbi Mendel
Fazit:
Die Autorin gewährt uns einen Einblick in ihr Leben und erzählt von den Dingen, die sie beschäftigen und alles auf den Kopf stellen. Diese Wanderung durch verschiedene Zeiten, auf der Suche nach Wahrheiten – ihrer eigenen Wahrheit (Identität), ist wie eine Wurzelbehandlung und birgt viele Botschaften. Eine Bereicherung für jedermann! Es geht um die Nebenwirkungen des Gelebten, um das Leben und Erleben und darum, für sich selbst einen Entschluss zu fällen!
Adriana Altaras, Titos Brille (TB), Roman, 272 Seiten, Fischer Verlag